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Karl Otto Mühl


Karl Otto Mühl:
Hungrige Könige.

Paperback. 192 S., 2005;
12,00 Eur[D] / 12,40 Eur[A]
ISBN: 3-935421-05-2


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Jürgen Demessieur ist Leiter der Arbeitsvorbereitung in der Pumpenproduktion. Wenige Jahre hat er noch zu arbeiten, und bei Emdenbourg ist man zufrieden mit dem fleißigen Mann, der nichts mehr hasst, als anzuecken. Alles deutet auf einen biederen Ruhestand hin - Ehefrau, zwei Kinder, Enkel, Reihenhaus, Turnverein und gelegentliche Kuren. Der Traum vom kleinen Glück ist nah, doch dann kommt Demessieur der dichtende Werkschützer Horst Zajonski mit seiner Gier nach Anerkennung in die Quere, und plötzlich ist es aus mit der Beschaulichkeit.Karl Otto Mühl erzählt ohne Pathos, doch empathisch und humorvoll von der schwierigen Freundschaft zweier Männer, die verschiedener kaum sein könnten und doch einander in ihrer Weltfremdheit und ihrer Sehnsucht nach dem richtigen Leben über den Tod hinaus verblüffend ähneln ...


Leseprobe




Es war schon Feierabendzeit, als Demessieur zur Toilette ging, durch menschenleere, knisternde Büros, an Pflanzen vorbei, die sich, bedeutsam blickend, einander zuneigten und nun endlich unter sich waren. Rasselnde Geräusche von Geräten in der Telefonzentrale. Die Büros waren nun ungefährlich und friedlich, das Drama der täglichen Auseinandersetzungen war verklungen, Spannungen, Bedrohungen gar, waren nicht mehr vorhanden. Diejenigen, die sie verursacht hatten, waren gegangen.
Manchmal, wenn er ein leeres Büro betrat, kam es Demessieur vor, als sei gerade ein Gespräch erschreckt und eilig beendet worden. Überstunden wurden bei Emdenborg selten gemacht. Selbst die Herren vom Vorstand gingen traditionell pünktlich heim. Der alte, bereits verstorbene Vorstandsvorsitzende hatte einmal gesagt: "Wer abends nicht mit seiner Arbeit fertig ist, der ist faul."
Das erinnerte wohltuend an frühere, fürsorglichere Zeiten, traf aber auf Demessieur nicht zu. Als Produktmanager mit einem weit gefächerten Arbeitsgebiet und vielen Kontakten kam er oft nicht umhin, abends länger zu bleiben.
Als Demessieur wieder hinter seinem Schreibtisch saß und sich gerade zum Weiterarbeiten entschlossen hatte, hörte er die Tür, dann ein Räuspern. Es kam von dem Werksschutzmann auf Kontrollgang. Demessieur kannte ihn vom Sehen. Stets trug er schwarzes Hemd und schwarze Hose, von der Schulter baumelte eine Stechuhr, die ihn selbst kontrollierte, wenn er die einzelnen Kontrollpunkte passierte. An seinem Gürtel war eine Pistole befestigt. Er grüßte Demessieur mit flüchtigem Kopfnicken, blieb stehen und starrte ihn an.
Etwas Einschüchterndes ging von ihm aus, etwas Zudringliches, Brutales.
"Ja bitte?"
"Die Fenster! Direktor Ehrenwirth fragt immer wieder, ob sie ordnungsgemäß verschlossen waren. Man muss es den Ganoven ja ein bisschen schwerer machen."
Der glatzköpfige, düstere Mensch durchquerte das Büro und untersuchte jedes der drei kippbaren Fenster mit übertriebener Gründlichkeit. Dann wandte er sich Demessieur zu: "Und sonst? Alles klar?"
Demessieur runzelte die Stirn. "Wie bitte?"
"Na ja, Sie sehen erschöpft aus. Das ist ja der Mist, dass abends manchmal die richtige Kraft fehlt."
Demessieur fühlte, dass der Mann weiter gefragt werden wollte.
"Kraft? Wozu?"
"Na, ich dachte, Sie wissen, was ich meine. Ist ja kein Geheimnis. Das hier ist ja vielleicht nicht alles, was Sie können."
"Nichts weiß ich", entgegnete Demessieur. "Was meinen Sie denn?"
Der Glatzkopf postierte sich vor dem Schreibtisch. "Sie kennen mich?"
"Gesehen habe ich Sie schon öfter, das stimmt."
"Und? Und? Ich meine, was haben Sie von mir gedacht?"
Demessieur zuckte mit den Schultern. "Musste ich dabei etwas denken, Herr ..."
"Zajonski. Entschuldigung! Ihren Namen kenne ich. Steht ja an der Tür. Ich kann Ihnen sagen, was Sie von mir gedacht haben, Herr Demessieur: Für einen Spinner haben Sie mich gehalten, für einen, der es nicht weit gebracht hat. Stimmt auch. Stimmt!"
Überraschend zerrte er zusammengefaltete Blätter aus seiner Hosentasche. Sie waren mit Gedichten beschrieben. Zajonski strich sie glatt und wedelte mit ihnen in der Luft.
"Könnte aber sein, dass doch was hinter dem Mann steckt! Er könnte vielleicht Begabung haben und Sachen schreiben, die an die Gurgel springen wie ein scharfgemachter Hund ..."
Demessieur unterbrach ihn: "Sie schreiben? Sie sind so eine Art Dichter?"
"Kann man sagen. Aber nicht so’n artistisches Zeug wie die vom Literaturkartell sie mögen. Und für Studienräte schon gar nicht, diese gebildeten Biedermänner. Und Scheiß-Naturalismus erst recht nicht!"
Zajonski warf die Blätter auf den Schreibtisch, zog einen Zeitungsausschnitt aus seiner Brusttasche, faltete ihn auseinander und hielt ihn Demessieur so hin, dass er die Überschrift lesen konnte.
"Stand in der Rheinischen Post. Ne Art Kurzgeschichte."
"Rheinische Post – immerhin!"
"Kleine Sache. Aber meine Frau meint, ich wäre ein Großmaul und sonst nichts. Würde Ihre Frau doch nie sagen, so was, oder? Wissen Sie, was ich bei Ihnen immer gespürt habe?"
Demessieur hatte erwartet, dass der Wachmann die Antwort gleich mitliefern würde, aber das geschah nicht.
"Na?"
Zajonski schnaufte, als strengte ihn das Geständnis an: "Dass wir beide Wesentliches gemeinsam haben."
"Tatsächlich?"
Demessieur überlegte. Dieser Mann hatte vermutlich etwas über ihn erfahren, was er hier in der Firma unbekannt glaubte, wahrscheinlich etwas ganz Läppisches.


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Literarische Texte und Texte zur Literatur


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Info zu
Karl Otto Mühl



Muehl-karl-otto


Karl Otto Mühl wird am 16.2.1923 in Nürnberg geboren. 1929 erfolgt der Umzug der Familie nach Wuppertal. Dort Ausbildung zum Industriekaufmann. 1941 Kriegsdienst in Afrika, Gefangenschaft in Ägypten, Südafrika, USA, England. Im Februar 1947 Rückkehr nach Wuppertal, wo er sich der Künstlergruppe »Der Turm« anschließt, der auch Paul Pörtner angehört. Erste Kurzgeschichten werden 1947/48 veröffentlicht.
Mit den Theaterstücken »Rheinpromenade«, »Kur in Bad Wiessee«, »Die Reise der alten Männer« gelingt ihm der Durchbruch.Seither veröffentlichte Karl Otto Mühl dreizehn Theaterstücke, zahlreiche Fernsehfilme, Hörspiele und Romane. Die Stadt Wuppertal verlieh ihm 1975 den von-der-Heydt-Preis. 2006 erhielt er den Literaturpreis der Springmann Stiftung und 2015 den Rheinlandtaler.
Er ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller (VS) und im P.E.N.



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