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Karl Otto Mühl
Das Privileg
Ein Volksstück aus dem Wuppertal
Die Gedichte und Lieder
Mit einem Nachwort von Gerold Theobalt
und einem
zeitlichen Überblick
von Dr. Horst Jordan
Die Besonderen Hefte
Heftbroschur mit Schutzumschlag
52 Seiten, 2001, handgeheftet, EUR 5.50
ISBN 978-3-935421-04-1
Das Wuppertal um 1527 nach Christi.
Gebleichtes Garn aus dem Tal der Wupper war berühmt. Aber es gab Konkurrenz, die es auszuschalten galt, sollte der wirtschaftliche Mittelpunkt des Tals gedeihen und wachsen. Herzog Johann III gewährt Elberfeld und Barmen ein Monopol, »Das Privileg«, gegen Zahlung von 861 Goldgulden, die von 42 Bürgern, Kaufleuten
und Bleichern, aufgebracht werden.
Karl Otto Mühls Schauspiel »Das Privileg« zeigt die Menschen dieser Zeit in ihrem Existenzkampf, in ihrem
Ringen um Befreiung und in ihrer Sehnsucht nach Erlösung.
Der Band vereint die Gedichte aus diesem Schauspiel. Es sind die erfundenen Gedichte einer erfundenen Else Lasker-Schüler, die als zeitlose Geistfigur ungehört durch die Szenen wandelt ...
EIN SCHAUSPIEL ENTSTEHT
Wie so oft bei neuen Initiativen, war beim Festspiel und Volksstück »Das Privileg« die Absicht vor dem konkreten Inhalt vorhanden. Man wußte einfach nur, daß Wuppertal ein Festspiel über seine frühe Geschichte haben sollte.
Die aber war einfach und bekannt.
Sie bestand in der langsamen, aber flächendeckenden Entwicklung des Bleicher- und Färbergewerbes an den Ufern der Wupper.
Gebleichtes Garn aus dem Tal der Wupper war berühmt und hatte einen großen Abnehmerkreis. Aber es gab zunehmend Konkurrenz, die es auszuschalten galt, sollte der wirtschaftliche Mittelpunkt des Tals gedeihen und wachsen. Die Initiative von Bürgern, die sich an Herzog Johann III in Düsseldorf wandten, schaffte es, ein Monopol, das Privileg, gewährt zu bekommen, und zwar gegen Zahlung von 861 Goldgulden, die von 42 Bürgern, Kaufleuten und Bleichern, aufgebracht wurden.
Die Dokumente darüber sind erhalten, zusammen mit Listen und Abrechnungen und Akten über gerichtliche Auseinandersetzungen.
Einiges über diese Zeit weiß man nicht. Vieles wäre für uns hier nützlich gewesen und hätte Einblick in den Alltag gewährt.
Vieles wiederum wußte man über Adolf Clarenbach, den Reformator, der auch einen bevorzugten Platz in diesem Stück gefunden hat. Es war eine spannungsreiche Zeit, Reformation und Hexenverfolgung, frühe industrielle Entwicklung und die Entwicklung der Nationalstaaten, die Entdeckung Amerikas, alles war um diese Zeit lebendig.
Das Stück phantasiert Augenblicks-Szenen aus jenen Tagen im Wuppertal. Es zeigt die Menschen in ihrem Existenzkampf, in ihrem Ringen um Befreiung und in ihrer Sehnsucht nach Erlösung. Else Lasker-Schüler als zeitlose Geistfigur wandelt ungehört durch die Szenen und stellt den poetischen Welthintergrund her.
Dies hier sind die erfundenen Gedichte einer erfundenen Else Lasker-Schüler aus dem Schauspiel. Angefügt sind die Lieder aus dem Stück, die von Otto Beatus vertont worden sind.
Das Schauspiel wurde am 1. Juni 2001 im Wuppertaler Theater uraufgeführt.
Karl Otto Mühl
GEROLD THEOBALT
EIN STÜCK (FÜR) WUPPERTAL
Am 1. Juni 2001 fand die letzte Premiere in der 13jährigen Amtszeit des Wuppertaler Intendanten Holk Freytag statt. Daß es sich dabei um die Uraufführung eines Stückes von Karl Otto Mühl handelt, ist keineswegs zufällig. Schließlich gehört der Wuppertaler Schriftsteller seit vielen Jahren zu den treuesten Weggefährten der scheidenden Theaterleitung.
Bereits die erste Spielzeit im Tal brachte Holk Freytag und sein Ensemble mit dem Autor so wichtiger Stücke wie »Rheinpromenade« oder »Kur in Bad Wiessee« zusammen, die den Wuppertaler Bühnen unter Arno Wüstenhöfer Anfang der 70er Jahre bereits überregionale Anerkennung beschert hatten. Der erste Auftrag an Karl Otto Mühl war eine Bearbeitung des Schauspiels »Die Weber« von Gerhart Hauptmann (in der Spielzeit 1988/89), die Mühl mit sicherem Gespür für die sprachlichen Nuancen aus dem schlesischen Original in das bergische Idiom übertrug. Fünf Jahre später dann ein Stück zur Wuppertaler Stadthistorie: »Ein Neger zum Tee« heißt die tragikomische Geschichte um den Schwarzafrikaner Kangafu, den ein brutaler Schausteller in der Zeit um 1820 wie einen Sklaven hält und als Kirmesattraktion mißbraucht. Doch dann wird ein Kreis begüterter Pietisten auf sein Schicksal aufmerksam. Sie kaufen Kangafu frei und beginnen mit der intensiven Missionierung des »armen Heiden«, der schließlich den Rest seines Lebens in den Von-der-Reckschen-Anstalten bei Düsseltal fristen muß.
Mit diesem Stück gelang Mühl der Balanceakt, einen sozialkritischen Stoff mit melancholischem Humor den Nachgeborenen verständlich zu machen. In einem kontrapunktischen Handlungsstrang brachte er die Gegenwart mit ins Spiel: Zwei Wuppertaler Handlungsreisende mühen sich in einem afrikanischen Land vergeblich um den Absatz ihrer heimischen Textilprodukte – späte Nachwehen eines Kolonialismus, der auch den Schwarzen Kangafu ins Bergische Land gebracht hatte.
Mühls neues Stück »Das Privileg« knüpft an die Erzählweise des »Neger zum Tee« an. Die Vorgänge um die Verleihung des Bleicherprivilegs im Jahre 1527 spiegeln sich in den vielen kleinen Einzelgeschichten der Elberfelder Kaufleute, der Knechte und Mägde, die ihre Träume vom kleinen persönlichen Glück an die Verleihung des Privilegs knüpfen. Es ist die Zeit nach der blutigen Zerschlagung der Bauernaufstände, ein Ereignis, das den unteren Schichten des Heiligen Römischen Reiches für Jahrhunderte jeden rebellischen Geist austreiben sollte. Widerstand gegen die Obrigkeit war fortan vor allem religiös motiviert. Die wachsende Bewegung der Reformation verband sich mit den politischen Bestrebungen des prosperierenden Bürgertums, das dank seiner wachsenden ökonomischen Potenz zu starkem Selbstbewußtsein fand. Bankhäuser wie das der Fugger in Augsburg verkehrten in Augenhöhe mit den Mächtigen der Welt. Ihr größter Schuldner war Kaiser Karl V.
Solche Beispiele verwiesen die Elberfelder und Barmer Kaufleute
auf einen dritten Weg jenseits von Untertänigkeit und
offener Rebellion: Was sich politisch nicht erstreiten ließ,
konnte man sich vielleicht erkaufen. Für den Erfolg derartiger
Geschäfte gab man dann auch gern ein Stück Solidarität auf:
Zum Beispiel mit den Nachbargemeinden, für die das Bleichermonopol
der Barmer und Elberfelder einem ökonomischen Desaster gleichkam. Wollten sie weiter der Produktion
von Weißgarn nachgehen, so blieb ihnen kaum etwas anderes
übrig, als sich bei den neuen Monopolisten zu verdingen. Daß
die Gesamtregion langfristig von der Verleihung des Privilegs
profitieren würde, ja, daß damit das Fundament für den beispiellosen
Aufschwung der Bergischen Industrie gelegt wurde,
konnten die Betroffenen nicht ahnen. Politische Zurückhaltung
legte man sich auch in Glaubensdingen auf. Der Fall
des Predigers Adolf Clarenbach zeigt das allzu deutlich. Man
wagte keinen Protest gegen die Herren der Inquisition, um
den mächtigen Erzbischof zu Köln nicht zu verärgern. So
wurde Clarenbach als Ketzer auf dem Melatenhügel vor den
Toren Kölns öffentlich verbrannt.
Karl Otto Mühl macht diese Vorgänge in seinem Kammerspiel
transparent, ohne die Figuren dabei an den Pranger zu stellen.
Die Kommentare überläßt er der Elberfelder Dichterin Else
Lasker-Schüler. Das erlaubt dem Publikum einen verfremdeten
Blick auf die Geschichte aus der Perspektive einer Frau,
die zu ihrer Zeit als Jüdin und unbotmäßige Künstlerin erfahren
mußte, was es bedeutet, geächtet und aus der Heimat vertrieben
zu werden. Die Lasker-Schüler weiß um die Schwächen
der Menschen; sie kennt die Ignoranz der Satten und Saturierten
ebenso wie den Fanatismus der Verzweifelten, die
sich lieber verbrennen lassen, als ein Jota von ihrer absoluten
Wahrheit abzuweichen. Mit den Augen der Dichterin blickt
der Zuschauer auf das Bühnengeschehen und erkennt es als
seine eigene Geschichte.
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