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Peter Beicken
Kindheit in W.
Gedichte.
Heftbroschur mit Schutzumschlag
88 S.; 2009; EUR 6,50;
Die besonderen Hefte
ISBN: 978-3-935421-44-7


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Kirschsiepen Tesche Kinderbusch
der Epigon von Rathausturm
hält sich Dohlen im Gebälk
in den Anlagen warten
die Rentner Kinder
auf die nächste Schwebebahn
jede fünf Minuten Endstation
ich kannte Krähwinkel
eh ich wußte daß
es das gab




Kindheit, ein Kapital der Literatur

Peter Beickens Gedichte holen Menschen, Leute, Persönlichkeiten herein, sie entwerfen Stadtlandschaften und den Stadtrand von Wuppertal, die Visionen des Kindes, sparsame starke Bilder, kurz skizzierte Situationen, transparent gemacht durch die Reflexion dessen, der schreibt.
Da wird Sozialgeschichte sichtbar, Kindheit in den 50er Jahren, späte Heimkehr des Vaters aus dem Krieg, Großväter, Großmütter, Arbeiterfamilien, Träume, Hoffnungen und das Elend des Jahrhunderts.
(Ingeborg Drewitz)

Peter Beicken
Peter Beicken, 1943 in Wuppertal-Barmen geboren. Nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte in Köln, Bonn und München (Magister Artium, 1968) promoviert an der Stanford University (1971). Gegenwärtig Professor of German Studies und Film an der Universität von Maryland in College Park. Distinguished Scholar Teacher 2001/2002.




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Vohwinkel

seit dreizehnhundertzwölf
sagen sich die Füchse
dort gute Nacht
Fabrikantenvillen
Häuserzeilen
Betriebe Industrieverkehr
der grüne Fries Natur
im steingrauen Werkalltag
ein paar Flurnamen
mit Nachklängen
Kirschsiepen Tesche
Kinderbusch
der Epigon von Rathausturm
hält sich Dohlen im Gebälk
in den Anlagen warten
die Rentner Kinder
auf die nächste
Schwebebahn
jede fünf Minuten
Endstation
ich kannte Krähwinkel
eh ich wußte daß
es das gab


nach Westen zu

die Züge verschieben sich im Tal
auf beiden Seiten der Bahn
gelbe Sommerflecken vom Raps
morgens die Amsel schweigt zur Sirene
aus den Fabriken fällt
Schweißlicht auf den Schulweg
nachmittags auf der Höhe im Wind
suchen wir unser Spiegelbild
Rothäute im Dauerlauf durch
Felder Buchenwäldchen
vor der Ziegelei
die Hügel ducken sich unter
den Wolkenmassen
nach dem Regen verschwimmt
der Himmel in Wasserfarben
rote Höfe schwarzweiße im Grün
nach Westen zu der Rhein
viel weiter als wir sehen können

Landschaftsmalerei

da ist ein runder Hügel
auf dem Hügel steht ein alter Baum
unter dem Baum sitzt ein Mann
aus dem Bauernhaus kommt
eine Frau mit Kind
die Familie sitzt jetzt im Grünen

der Himmel ist blau
und die Wolken sind weiß
das Wasser ist grün und
der Fluß ist ein Spiegel
das ist wie ein Bild vor der
Erfindung der Farbfotografie

Kindheit in W.

mir war als Kindheit
vorgesehen
der Krieg der Bombentod
die Asche in der Atemluft
vaterferne Mutterzeit
das ahnungslose Überleben
gefüttert mit
Kartoffelschalen
Brennesselsuppe
Sauerampfer vom
Trümmerstück
eingezeichnet jetzt
die Kindheit
auf der Seelenwand
der Jäger
das gejagte Tier
der dunkle Zauber
und das kleine Glück
die Vorzeit
meines Ichs
damals
in W.

Herr Kurz

er hatte die billigsten
Hemden am Ort
die Mutter sprach auch
gern mit ihm
er war wie sie
woanders her
in ihrer Mundart sagte
sie daß man hier
niemals heimisch wird
er nickte leise Ja Ja Ja
die Stoffballen mit
ihren roten Etiketten
gaben mir die ersten Zahlen
zum Entziffern
an seinem Arm die
blaue Nummer
verstand ich erst
als er nicht mehr lebte
mein Auschwitz
begann
in W.

Ingeborg Drewitz
Kindheit in W. - oder:
was ist Erinnerung?

Ich müßte Wuppertal nicht kennen, Industriestadt mit den steilen Straßen, dem schmalen schmuddligen Fluß, ein Begriff von früher Kindheit an: Elberfelder Straße, Berlin Moabit, wo ich geboren bin – und dann die langen Fußwanderungen durch die Stadt W., schon wieder aufgebaut, die Substanz noch erkennbar – ich müßte Peter Beicken nicht kennen, in seiner Familie, zwischen Studenten, Maryland, far far away – um sachlich zu überprüfen, warum mich das Buch so angeht. Aber gibt es das, eine Annäherung ohne emotionale Erregung?
Peter Beickens Gedichte in diesem Buch holen Menschen, Leute, Persönlichkeiten herein, die kleinen Leute, die so wenig literaturfein sind, sie entwerfen Stadtlandschaften und den Stadtrand von Wuppertal, die Visionen des Kindes, seine Enttäuschungen, sparsame starke Bilder, nichts von der Schaumgummieleganz des Allerneuesten. Von gleicher Körnigkeit die Kindheitsbilder, kurz skizzierte Situationen, transparent gemacht durch die Reflexion dessen, der schreibt (rückblickend).
Da wird Sozialgeschichte sichtbar, Kindheit in den 50er Jahren, späte Heimkehr des Vaters aus dem Krieg, Großväter, Großmütter, Arbeiterfamilien, Träume, Hoffnungen und das Elend des Jahrhunderts. Die Bilder von Stalingrad und von der Novemberrevolution 1928 aus der Sicht des Kindes gleichgestellt, gleichzeitig.
Was ist Erinnerung? Die Bilder werden blasser, sobald sie sich der Pubertät nähern, wenn auch noch immer gebändigt, von Fragen durchsetzt. Das Sich-Verlieren aus der Geborgenheit der Kindheit ist spürbar; der Sprung in die Erwachsenenwelt nicht schon vollzogen, auch wenn Daten, Fakten genannt werden. Aber nennt Beicken sein Buch nicht auch »Kindheit in W.«? Bleibt er in den Gedichten nicht nahe an den fast holzschnitthaften Gestalten der frühen Erinnerung?
Das Kapital Kindheit ist nun einmal ein Kapital der Literatur (Ich muß hier nicht wieder nachweisen, warum. Die Texte von Peter Beicken beweisen es). Die Kraft der Bilder, die gebrochene Kontinuität der Erfahrungen, die wie selbstverständlich hinzuerfindende Phantasie, ist später nie zu übertreffen. Daß Peter Beickens Aufmerksamkeit nicht den Großen, den bekannten Leuten gilt, daß er keine Sozialgeschichte von Wuppertal schreibt, und von Else Lasker-Schüler als von Elseken spricht, gibt diesem schmalen Buch die Wärme. Daß er mit der Sprache so selbstverständlich und ungeziert umgeht, wie es nicht Brauch ist in den Arbeiten, die heute vorgelegt werden, daß er dabei aber heutiger ist als die Vergangenheitsgegenwartsverwischung, die derzeit ohne das Genie einer Virginia Woolf gefeiert wird, möchte ich denn doch sagen.
(aus der Literaturzeitschrift Die Horen, 1984)






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