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Christoph Kleinhubbert
Poldernovelle

Hardcover. Fadenheftung
104 S., Euro 15,00
ISBN: 978-3-943940-22-0



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Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Greetsiel, die Saison ist so gut wie zu Ende. Ein Ort, postkartenschön herausgeputzt, aber es riecht nicht nach Meer und Ferne. Der Himmel versucht sich wolkenbeladen und düster in Szene zu setzen, aber gegen die vorherrschend freundliche Atmosphäre der Umgebung kommt er nicht an.
Hier sitzt Berthold Mohrbach, Bestsellerautor, siebenundvierzig Jahre alt und seit Monaten offenbar unheilbar an einer Schreibblockade erkrankt. Ein defektes Auto, ein ungeplanter Urlaub im Norden und die Hoffnung, wieder schreiben zu können. Doch in dieser ferienfreundlichen Welt geschehen ihm seltsame Dinge, die Wirklichkeit beginnt zu flirren, der Übergang vom Wachen zum Schlafen und Träumen wird diffus, Erinnerungen fließen ein, die eigentlich nichts mit seinem Leben zu tun haben. Oder doch?




Ausführliche Leseprobe (pdf-Datei)






Leseprobe


I.


Auch du, Wanderer,
wirst nichts hinausbringen.
Geh und folge,
wohin deine Geschicke dich treiben

(Grabplatte, Johann Michael Palatinus Knottnerus,
1617 – 1684, Kirche zu Greetsiel)



kleinhubbert-poldernovelle-autowerkstatt

1. Die Wasserpumpe war defekt. Er sah wie der Temperaturzeiger weiter ins rote Feld kroch. Lange würde der Motor nicht mehr durchhalten. Das hieß, es würde teuer werden, wenn er nicht bald etwas unternahm. Er fuhr auf eine Kreuzung zu. Zwei große Mühlen standen auf der linken Seite. Geradeaus führte die Straße in einen kleinen Ort hinein. Nicht weit entfernt wehte die Fahne einer Tankstelle. Er schaute noch einmal auf die Temperaturanzeige. Jetzt befand sich die Nadel der Anzeige bereits tief im roten Feld. Der Motor kochte. Er gab Gas und fuhr über die Kreuzung.

Tatsächlich kam er nach etwa 300 Metern an eine Tankstelle. Mohrbach fuhr zwischen den Zapfsäulen durch und stellte den Wagen am Rand der Tankstelle ab. Er zog den Schlüssel. Erleichtert stellte er fest, dass der Motor noch nicht so heiß war, dass er sich nur durch Abwürgen abstellen ließ. Der Tankwart kam aus seinem Häuschen heraus und stellte sich mit fragendem Gesichtsausdruck neben das Auto.

Können Sie mir bitte helfen? Ich meine können Sie vielleicht mal kurz nachschauen? Ich glaube, ich habe zu wenig Wasser im Kühler!

Der Mann schaute Mohrbach mürrisch von der Seite an. Er hatte kein Verständnis für Leute, die ihre Autos zu heiß fuhren. Es war wirklich keine Vernunft mehr in den Menschen. Jetzt waren sie noch nicht einmal in der Lage, für genug Wasser im Motor zu sorgen.

Klar kann ich mal schauen, kein Problem.

Der Tankwart besah sich die Sache eine Weile. Dann kratzte er sich am Kopf, rückte seine Strickmütze wieder zurecht.

Sie werden es nicht glauben, aber Ihre Wasserpumpe ist hin und der Kühler ist leck. Wenns ganz schlecht läuft ist die Zylinderkopfdichtung auch hin. Das wird dann richtig teuer!

Aber der Wagen ist gerade mal ein paar Monate alt!
Mohrbach war wirklich entrüstet. Was hatten sie ihm da für ein Montagsauto verkauft.

Kann ja sein! Aber jetzt sind Pumpe und Kühler kaputt, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Eine kurze, knappe Diagnose. Der Mann hatte offenbar kein großes Mitgefühl mit ihm.

Na gut, kriegen Sie das denn wieder hin? Können Sie das reparieren?
Er fügte sich in sein Schicksal. Man musste immer versuchen, das Beste aus jeder Situation zu machen. Ich wollte eigentlich noch weiter nach Norden fahren. Der Tankwart sah ihn mitleidig an.

Klar kann ich das, aber wissen Sie was? Sie fahren da einen Franzosen. Die können Rotwein machen und Stangenbrot, vielleicht noch Käse, aber von Autos haben sie keine Ahnung. Wenn das ein VW wär oder ein Opel, ein Ford, irgendeine gängige Marke, da haben wir einen Ersatzteilhandel quasi vor der Tür, da ist die Versorgung mit Teilen kein Problem, aber das hier..., (er zeigte abschätzend auf den Wagen), das hier kann dauern! Bei den Franzosen zieht sich so etwas immer hin!

Was meinen Sie denn, wie lange es dauern kann?

Ich will mal so sagen, (dabei kratzte er sich wieder am Kopf), gehen Sie mal von mindestens einer Woche aus. Haben Sie solange Zeit?

Es kam Mohrbach vor, als wäre es dem Tankwart lieber, wenn er jetzt mit Nein antworten würde. Es war klar, dass er jetzt in dem Ort festsaß. Aber dieser Ort war so gut wie jeder andere. Es war egal. Er wusste sowieso nicht wo er hinwollte. Somit war es hier so gut oder schlecht wie überall anders auch. Ein bisschen ausspannen und auf einen Einfall warten, das konnte er auch hier.

Und wie heißt dieser Ort?

Greetsiel, sagte der Tankwart, schon mal davon gehört?

Ja, doch, habe ich.


Kann gut sein, erwiderte der Tankwart. Hier kommen immer viele Touristen hin. Die sind ganz wild auf die beiden alten Mühlen und den Hafen. Hier wurden auch schon Kinofilme gedreht!

Mohrbach nickte. Im Grunde interessierte ihn das gar nicht.

Kann ich hier ein Zimmer mieten? Oder eine Ferienwohnung?

Bestimmt. Die Saison ist so gut wie zu Ende. In ein paar Tagen ist bereits November, da ist hier nicht mehr viel los. Sie können beim Fremdenverkehrsverein fragen. Da vorne, immer geradeaus dieser Straße folgen (dabei zeigte er mit ausgerecktem Arm auf etwas, das sich hinter Mohrbach befand). Können Sie gar nicht verfehlen, es heißt Haus der Begegnungen.

Ich lasse mein Gepäck noch im Auto.

Sicher! Ich bin bis abends hier. Außerdem klaut hier keiner.

Danke, ich hole die Sachen, wenn ich ein Zimmer gefunden habe. Einverstanden?

Machen Sie mal, ist ja Ihr Gepäck!

Bestellen Sie die Ersatzteile für mich?, wollte Mohrbach wissen. Der Wagen muss ja irgendwie repariert werden.

Darüber können wir reden, wenn Sie Ihre Sachen holen. Ich habe hier zwar eine Grube und eine Bühne, aber ich muss mich ja auch noch um die Kundschaft kümmern. Vielleicht lassen Sie den Wagen besser in eine Werkstatt schleppen. Ich telefoniere nachher mal mit meinem Schwager, der hat in Norden einen US Shop, der kennt jede Menge Leute, da kann Ihnen bestimmt einer helfen.

Damit ließ ihn der Tankwart stehen und ging zurück an seine Ladentheke. Er hatte Mohrbach noch nicht einmal nach dem Autoschlüssel gefragt.

Greetsiel, dachte Mohrbach. Warum nicht?

Das Haus der Begegnungen war geschlossen, die Angestellten waren noch in der Mittagspause. Mohrbach sah sich um. Es gab eine Post, einen Supermarkt, zwei Restaurants, einen Fischverkauf, ausreichend Parkplätze und an zentraler Stelle das Haus der Begegnungen. Alles war sauber und machte einen gepflegten Eindruck. Ein Ort, postkartenschön herausgeputzt, aber es roch nicht nach Meer und Ferne. Der Himmel versuchte sich wolkenbeladen und düster in Szene zu setzen, aber gegen die vorherrschend freundliche Atmosphäre der Umgebung kam er nicht an. Gut, dachte Mohrbach zufrieden. Das hier ist offenbar ein friedlicher Ort. Hier kann ich ohne Weiteres einige Tage verbringen. Er kaufte sich zwei Fischbrötchen und erkundigte sich nach dem Weg zum Wasser.

Die Nordsee liegt hinter dem Deich, sagte die Verkäuferin. Wenn Sie zum Deich wollen, müssen Sie den Weg rechts neben der Minigolfanlage nehmen und dann immer nur geradeaus weitergehen. Sie laufen auf einen Leuchtturm zu, halten sich rechts und folgen dem ausgeschilderten Weg zur Leyschleuse. Da können Sie die See sehen. Sie lächelte ihn an. Da sind Sie aber gut und gerne anderthalb Stunden unterwegs, fügte sie hinzu. Sie können aber auch auf dem Deich spazieren gehen. Die frische Luft tut immer gut.

Mohrbach bedankte sich für die ausführliche Wegbeschreibung und ging los. Er hatte keine besondere Eile. Der Besuch im Haus der Begegnungen hatte noch Zeit, die Pause ging bis 15 Uhr, das war erst in knapp einer Stunde. Nach kurzer Zeit stieg der gepflasterte Weg leicht an. Da war schon der Deich. Die Verkäuferin hatte recht gehabt. Das Meer war viel weiter weg, als er es erwartet hatte. Schließlich lag der Ort doch direkt an der Küste. Mohrbach sah sanft abfallende Wiesen, ein paar Zäune. Irgendwo, unbestimmt weit entfernt am Horizont, schien das Meer zu sein oder etwas anderes, eine graue Linie. Es war nicht so genau auszumachen. Der Himmel drückte immer grauer auf den Horizont. Es sah jetzt wirklich schwer nach Regen aus. Kein Wunder, es ist Ende Oktober, dachte er und beschloss noch ein wenig dem Deich zu folgen. Er wandte sich nach rechts und ließ den Leuchtturm hinter sich. Mohrbach folgte dem schmalen Weg ohne Eile und aß seine Fischbrötchen. Ab und an schaute er zum Horizont. Es veränderte sich nichts. Er konnte vom Deich aus das Meer nicht sehen. Wind kam auf und es wurde zunehmend ungemütlicher. Als er eine schmale Steintreppe sah, die vom Deich hinunter führte, nutzte er die Gelegenheit. Es war jetzt nicht das Wetter für einen längeren Spaziergang.

Ein paar Meter neben dem Deich sah er ein kleines Haus. Das Dach war auf beiden Seiten bis auf den Boden heruntergezogen. Die Jalousien waren heruntergelassen, an der Tür klebte ein Schild ZU VERMIETEN. Weitere Informationen im Haus der Begegnungen. Das Haus sah gemütlich aus. Es gefiel ihm. Warum nicht dieses Häuschen hinter dem Deich mieten? fragte er sich. Es war zu dieser Jahreszeit bestimmt nicht mehr teuer. In unmittelbarer Nähe sah es ruhig aus, die nächsten Häuser standen weiter weg, die Einfahrten davor waren leer, er sah keine geparkten Autos mit fremden Kennzeichen. Er würde hier seine Ruhe haben. Die Vorstellung, abgeschieden und für sich zu sein, gefiel ihm. Er musste nicht in ein beengendes Zimmer oder in ein Hotel, wo er nichts liegen lassen konnte. Es war mehr wie ein Zuhause, wenn auch nur auf Zeit.










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Info:
Christoph Kleinhubbert, geb. 1962, lebt und arbeitet im Emscherdelta.


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»Die geheime Ordnung der Welt«.































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