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Leseprobe
Jost Hindersmann: "John le Carré - ein Portrait"

Auszug aus dem Vorwort zu "John le Carré. Der Spion, der zum Schriftsteller wurde.
Portrait und Bibliografie." KrimiKritik 2


David John Moore Cornwell, so der richtige Name von John le Carré, wurde am 19. Oktober 1931 in Poole, einer kleinen Küstenstadt in Dorset, geboren. Der dominierende Einfluss in seiner Kindheit war sein Vater Ronald "Ronnie" Cornwell, der als Vierzehnjähriger die Schule verließ und fortan ohne Gewissensbisse als Hochstapler und Betrüger von Schwindeleien lebte. Er gründete Hunderte von Firmen, ging mehrfach bankrott, hatte Millionen Schulden, und wurde zu Haftstrafen auf zwei Kontinenten verurteilt. Er war ein Mann, der standesgemäß beim Pferderennen in Ascot auftreten konnte, mehrere Hausangestellte hatte, Auslandsreisen in großem Stil unternahm, falsche Titel trug und doch kein Geld hatte. Literatur spielte im Haus Cornwell keine Rolle. Ronnie gab damit an, dass er nie ein Buch gelesen habe. Seine beiden Söhne, David und den zwei Jahre älteren Tony, bezog er in seine kriminellen Geschäfte mit ein. So schickte er sie zum Beispiel nach Paris, um dort in einem Hotel seine Golfschläger abzuholen, erwähnte aber nicht, dass er sie als Pfand für eine unbezahlte Rechnung zurückgelassen hatte. Davids Mutter Olive brannte mit einem Geschäftspartner von Ronnie durch, als David gerade 5 Jahre alt war. Ronnie behauptete gegenüber seinen Söhnen, ihre Mutter sei gestorben. Erst 15 Jahre später erfuhr David, dass seine Mutter noch lebte und traf sie auf einem Bahnsteig in Ipswich kurz wieder. Er verstand die Gründe für ihre Flucht nicht und beschloss, den Kontakt mit ihr abzubrechen, dennoch sorgte er finanziell für sie und kaufte ihr ein Haus. Ronnie, der stets viele Geliebte hatte, heiratete später noch zwei Male. Aus diesen Ehen stammen eine Halbschwester und ein Halbbruder von David.

David Cornwell hat im Fragebogen der FAZ vom 25.6.1993 seine Herkunft als sein größtes Unglück und zugleich sein größtes Glück bezeichnet. Denn so unglücklich er in seiner Kindheit auch war, so lieferte seine Kindheit und die Beziehung zu seinem Vater ihm doch den Stoff für seine späteren Romane. Rückblickend sieht Cornwell seine Kindheit als erste Stufe seiner Karriere als Spion. Er spionierte Ronnie nach und Ronnie spionierte seinen Kindern schamlos nach. Der Vater öffnete heimlich Davids Post und hörte seine Telefongespräche ab, David durchsuchte im Gegenzug die Taschen seines Vaters. Für David war es ungefähr das gleiche, ob man Ronnies Sohn war oder für einen Ein-Mann-Nachrichtendienst arbeitete. Entweder man spionierte für ihn, oder man spionierte ihm nach. Manchmal tat man auch beides zugleich. Er hatte seine sicheren Häuser. Er hatte Tarngeschichten, die ich in Gegenwart seiner zahlreichen Damenbekanntschaften zu bestätigen hatte, und das tat ich auch. ("Vater", 66)

Mehrere Vaterfiguren in le Carrés Romanen sind Abbilder von Ronnie, ja, das Verhältnis zu Ronnie hat sein gesamtes Leben und Werk geprägt. Wie er selbst eingesteht, war "mein unwirklicher Kampf gegen die Dämonen des Kommunismus zumindest teilweise die Fortsetzung meines heimlichen Kriegs gegen Ronnie [...], nur mit anderen Mitteln." ("Vater", 67) Das komplexe Verhältnis zu seinem Vater konnte David erst nach dessen Tod richtig aufarbeiten. Seinen Roman Ein blendender Spion kann man als eine Art fiktionaler Autobiografie lesen. Da Ronnie wollte, dass seine Kinder es einmal besser hätten als er, schickte er sie (getrennt voneinander) auf standesgemäße Schulen. Der junge David besuchte zuerst St. Andrew's Preparatory School in Pangbourne und dann Sherborne School, eine strenge, snobistische public school, deren Klima von Bigotterie und Repression bestimmt war. Schon kleinste Vergehen wurden mit Prügelstrafe geahndet. David fühlte sich dort einsam und entwickelte sich zum Einzelgänger. Da er den wahren familiären Hintergrund verschweigen musste und ihm bewusst war, dass er eigentlich nicht dazugehörte, fühlte er sich wie ein Spion im Feindesland. Den Konflikt zwischen Individuum und Organisation, eines der Hauptthemen seiner Romane, erlebte er hier am eigenen Leib. Die Erfahrungen seiner Schulzeit hat er in seinem Roman Dame, König, As, Spion verarbeitet, denn die Figur des Bill Roach, eines Außenseiters, der unter der Trennung seiner Eltern leidet, aber ein sehr guter Beobachter ist, kann man als Porträt des jungen David sehen. Die Lehrer wurden mit ihrem militärischen Rang angesprochen, und die Erziehung in der Schule lief im Geist des Empires ab. Historisch gesehen gehörte David Cornwell zu der letzten Generation von Schülern, die ausgebildet wurden, um Führungspositionen im britischen Empire zu übernehmen. Doch als sie die Schule verliessen, war das Empire bereits zerbrochen. Auch dieses Motiv der betrogenen Generation hat er in seinem Werk verarbeitet.

I think that I belong almost to the last of that particular generation who still, after the war, were being advised by their career masters at public school to go and govern India, Kenya, the Sudan or where you will. We really were brought up to believe that we were the best and brightest, that we'd inherit the mantle of postwar imperialism, that we were the people for whom the war had been fought and now the earth was ours and we had a great duty to run it decently. And, of course, within 15 years of that, we realised that our problem was not to run the world but to come to terms with the world running us. (Vaughan, 340)

Entgegen Ronnies Anweisungen verließ David im Alter von 16 Jahren die Schule vorzeitig und zog zu Verwandten in die Schweiz. Er wollte kein Engländer mehr sein und weigerte sich sogar, englisch zu sprechen oder sich als Engländer zu erkennen zu geben. An der Universität Bern schrieb er sich für Germanistik ein und verliebte sich in die deutsche Kultur. Zu seinen bedeutendsten Erlebnissen zählte eine Begegnung mit Thomas Mann. Cornwell suchte ihn nach dessen Rede zum 200. Geburtstag Goethes 1949 hinter der Bühne auf. Auf Manns Frage, was er wolle, antwortete er: "Ihnen die Hand schütteln". Mann erwiderte trocken "Hier ist sie". In der Schweiz begann auch Cornwells langjährige Beziehung zum britischen Geheimdienst: Der Auslandsnachrichtendienst MI6 nahm Kontakt zu ihm auf. Obwohl Cornwell nur für kleinere Kurierdienste eingesetzt wurde, sah er sich als den größten Spion der Welt, eine männliche Variante von Mata Hari. Im Dezember 2000 behauptete der Ex-KGB-Agent Michail Lyubimov, dass der KGB schon damals wusste, dass Cornwell für den britischen Geheimdienst arbeitete. Und zwar soll niemand anderes als der Doppelagent Kim Philby ihn verraten haben, eine Behauptung, die Cornwell vehemenet dementiert (Atticus, "Philby"). Nach seinem Aufenthalt in der Schweiz wurde Cornwell zum Wehrdienst eingezogen und erhielt wegen seiner guten Deutschkenntnisse einen Posten beim Intelligence Corps der Armee in Österreich. Zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, Flüchtlinge aus dem Ostblock zu verhören. Hier sammelte Cornwell seine ersten eigenen Erfahrungen mit dem Kalten Krieg.

KrimiKritik 2

Jost Hindersmann:
John le Carré.
Der Spion, der zum Schriftsteller wurde.
Portrait und Bibliografie.
Bibliografie unter Mitarbeit von Thomas Przybilka.
ISBN: 3-935421-12-5
Paperback. 108 S., Dezember 2002
11.00 EUR [D] / 10,80 Eur[A] / 15,52 sFr
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Jost Hindersmann
geb. 1965; Studium der Literaturwissenschaft (Anglistik) und Geschichte an der Universität Osnabrück; Magister Artium 1991, Promotion 1994; Referendariat für den höheren Bibliotheksdienst 1995 - 1997 an der ULB Münster, StB Münster und FH Köln, Laufbahnprüfung 1997; freie Mitarbeit für den Rowohlt-Verlag; mehrere Veröffentlichungen zum britischen Spionageroman, zur kanadischen Literatur sowie zum Buch- und Bibliothekswesen.

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Die Titel der Reihe:
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