Gunter Wollschläger
Haumanns Ankündigung
und andere Dramen
Herausgegeben von
Anneliese Wollschläger
Paperback
244 S., Euro 20,00
ISBN: 978-3-943940-65-7

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Ernsthaftigkeit und Komik
Die in diesem Buch veröffentlichten Theaterstücke von Gunter Wollschläger sind eine Auswahl von Texten, die in den letzten Jahren entstanden sind. Die manchmal absurden Bilder sind nicht nur »Verfremdungen« im theatertheoretischen Sinn, sondern auch traumanaloge Verdichtungen nach psychoanalytischem Verständnis.
Die Inhalte der Stücke spiegeln brennende gesellschaftliche und ökologische Fragen wider. Knappe Sätze und Komik helfen dem Betrachter, die Motive der häufig skurril agierenden Antihelden zu verstehen.
Leseprobe
Vorwort
Die in diesem Buch veröffentlichten Theaterstücke von Gunter Wollschläger sind eine Auswahl von Texten, die in den letzten Jahren entstanden sind. Die manchmal absurden Bilder sind nicht nur »Verfremdungen« im theatertheoretischen Sinn, sondern auch traumanaloge Verdichtungen nach psychoanalytischem Verständnis.
Die Inhalte der Stücke spiegeln brennende gesellschaftliche und ökologische Fragen wider. Knappe Sätze und Komik helfen dem Betrachter, die Motive der häufig skurril agierenden Antihelden zu verstehen.
Der Autor der Stücke und seine Frau Anneliese haben bis 1985 in der Kreativitätsschule Wuppertal gearbeitet und dabei theaterpädagogische Erkenntnisse gewonnen.
Gunter Wollschläger hat in diesem Zusammenhang mit Veröffentlichungen überregionale Beachtung gefunden, z. B. Kreativität und Gesellschaft (Fischer 1972), und Widerstand und Aggression in pädagogischer Praxis (Fischer 1975).
In der Zeit danach arbeitete Gunter Wollschläger als Kinder- und Jugendlichen-Psychothrapeut in eigener Praxis.
Bei der Bearbeitung der Manuskripte der späteren Theaterstücke wurde Gunter Wollschläger nicht nur von seiner Frau, sondern auch von Mitstreiter Klaus Hutwerfer unterstützt.
Haumanns Ankündigung
Ein Theaterstück und
satirisches Poem in fünf
Bildern,
nach Ereignissen in
der Bergischen Metropole
Anlass ist die geplante
Einweihung des neuen
Bahnhofvorplatzes, auch
»Mall« genannt
Zum Inhalt
Es herrscht Aufregung auf der »Mall«, dem neuen Vorplatz des alten Hauptbahnhofes. Während im Hintergrund eine Blaskapelle für die Einweihung des Platzes probt, hat sich vor dem Eingang des Hauptgebäudes eine lange Menschenschlange gebildet.
Das Ziel der wartenden ist der Erwerb bunter Zettel mit Botschaften, die ein einbeiniger Mann verkündet.
Der Einbeinige, auch Haumann genannt, sorgt mit diversen beängstigenden Ankündigungen für erhebliche Unruhe. In Aktion treten nicht nur Behördenleute und eine stadtbekannte Bettlerin, sondern auch ein Kommissar, der im Zusammenhang mit der geplanten Befragung des Einbeinigen im Rathaus eine »Turnstunde« veranstaltet. Hauptwidersacher des Einbeinigen ist der Tambourmajor der genannten Blaskapelle.
Unvorhergesehenes Eiszeitwetter am Schluss des Spektakels übernimmt die Vorherrschaft und lässt das Leben auf der »Mall« erfrieren.
Vorspiel
1. Der Mann mit dem Hau
Ort des Geschehens ist der Vorplatz eines Hauptbahnhofes. Per Videoprojektion bewegt sich eine Schlange wartender Menschen auf den Eingang zu. Dort im Halbschatten steht Protagonist Haumann auf seinem linken Bein, das rechte hat er angewinkelt. Er verteilt bunte Zettel und beantwortet Fragen. Die Szene erscheint unwirklich, weil die untergehende Sonne die Schatten dunkler färbt und den maßgeschneiderten Anzug Haumanns tiefschwarz erscheinen lässt. Seine zunächst phrasenhaften Sätze spricht er laut, sie sind kurz und bündig
»Schön, dass Sie sich für meine Botschaften interessieren!«
»Lesen Sie die Botschaften doch erst einmal!«
»Sie werden schon sehen!«
In folgender Spielszene reagiert der Protagonist auf die Bemerkung eines Mannes in einem verschmutzten Handwerker-Overall trotzig. Beachten wir zunächst die Bemerkung des Handwerkers!
»Als Lehrling hatte ich bereits mit Zetteln zu tun. Immer wenn mein Ausbildungsmeister wütend auf mich war, hat er seinen Unmut auf Zetteln kundgetan, die er in meinen Umkleidespind gelegt hat.«
die trotzige Antwort des Einbeinigen
»Das ist doch etwas ganz anderes!«
in diesem Augenblick Festtagsmusik. Per Videoprojektion kreuzt eine Musikkapelle das Blickfeld. In der folgenden konkreten Spielszene tritt ein Besucher nach vorn und ruft:
»Wann geht es endlich weiter? Ich will auch einen Zettel. Mein Zug fährt mir sonst vor der Nase weg!«
»Warum so eilig, Sportsfreund? Und warum bleibst Du nicht bis morgen? Dann ist doch Bahnhofsfest! Wenn Du allerdings nicht warten willst ... brüllt Geh doch zu Deinem Zug!!! Wo willst Du eigentlich hinreisen?«
»Das geht Dich einen Dreck an! Vielleicht will ich nach Timbuktu!« lacht, der Einbeinige freundlich:
»Was redest Du von Timbuktu? Wohin willst Du reisen? Timbuktu liegt doch in Afrika.«
»Geh doch zu Deinem Zug! Sonst kommst Du in Timbuktu niemals an!«
»Lasst den Mann in Ruhe! Wenn er nach Timbuktu will ... Was ist daran so falsch?«
der Einbeinige fingert an seiner Krawatte
winkt den Handwerker heran
»Hier habe ich einen roten Zettel für Dich, damit Du für Deine Reise gewappnet bist. Es betrifft das Unglück Deiner Kinder!«
die knappe Antwort des Handwerkers
der Einbeinige wechselt das Standbein, lächelt
»Falsch mein Freund! Jeder hat Kinder. Deine Antwort ist jedoch nicht schlimm, weil auch die vermeintlich kinderlos gebliebenen eigene Kindheit in sich tragen. Dabei hat es ja nicht immer nur glückliche Kindheitstage gegeben! Hier nimm schon den Zettel!«
beifälliges Klatschen von einigen Wartenden, die sich um den Handwerker scharen. Die junge Frau fragt:
»Was hat er geschrieben? Zeigen Sie mal!«
»Nichts! Hier steht gar nichts!«
blickt genauer und hält den Zettel der Frau unter die Nase »Sehen Sie selbst!«
Frau: Können Sie denn nicht lesen?
Hier steht etwas. Hier am Rand ...
der Handwerker schüttelt den Kopf, einer der Wartenden ruft
Rufer: Da hinten geht der Einbeinige. Er geht weg. Vielleicht sucht er ja
die Bahnhofstoilette auf. Haha! Jetzt kann er sogar auf zwei Beinen gehen!
Frau:
ruft Hat jemand ein Vergrößerungsglas? Dieses Gekritzel kann doch kein
Mensch lesen!
ein fast Blinder Mann hält eine Lupe hoch
Blinder: Hier! Meine Lupe – Aber ich will das Glas zurück!
murmelt Ich weiß doch,
wie es geht: Am Ende sehe ich gar nichts mehr!
Handwerker: Ich habe gehört, dass es einen Klimakollaps geben wird, und das
die Tage unserer Erde gezählt sein sollen ... Wer das gesagt hat, wollte
bestimmt nur einen Scherz machen und morgen wird ja auch die Mall
eingeweiht!
Frau: Waren Sie nicht derjenige, der nach Timbuktu reisen wollte?
Handwerker: Nach Timbuktu? Nein! Geben Sie mal das Glas her!
Ich will lesen,
was der Einbeinige über die Kinder gesagt hat
nimmt den Zettel, blickt
durch die Lupe, lacht, wird wieder ernst
Hier steht: »Eure Kinder werden
sterben. Der Storch steht auf einem Bein«
im Hintergrund erneut Festtagsmusik. In bunter Uniform Auftritt des Tambourmajors der Band
»Seid wohl alle gut drauf!?
Kein Wunder wegen des Festtags morgen. Was sind das für Zettel?«
Handwerker: Hab ich doch gesagt.
Hier steht: »Eure Kinder werden sterben.
Der Storch steht auf einem Bein!«
Tambour: Seht Ihr? Hier will Euch jemand den Spaß verderben
Frau: Aber wenn es hier steht?
Tambour: Du bist gut, Frau! Was geschrieben steht, ist nicht immer richtig. Ich
behaupte sogar, dass beinahe alles Geschriebene gelogen ist. Dieser Mann
lügt wie gedruckt. Er muss weg! Er verunreinigt die Mall!
Handwerker: Ich weiß nicht – Obwohl ich keine eigenen Kinder habe, hat mich
die Ankündigung des Einbeinigen gerührt.
Tambour: Gerührt? Rührei fabriziert er! Er muss weg!
Frau:
zum Handwerker Ich frage mich, warum so viele Leute die Zettel haben
wollen.
Tambour:
erbost Papperlapapp! Diesem falschen Storch werde ich das Bein
brechen!
Frau: Passen Sie auf, dass man Ihnen nicht auch etwas bricht!
Handwerker:
ergänzt Rührei hat er gesagt.
Tambour: Ha.
Handwerker:
zu den übrigen Wartenden Er hat die Botschaft des Einbeinigen
Rührei genannt.
Raunen bei den Zuhörern
Tambour: Was sind diese Ankündigungen sonst?
»Eure Kinder werden sterben!«
Haha! – Ich bin Tambourmajor der Band, die morgen zur Einweihung der
Mall aufspielt und für gute Stimmung zuständig ist!
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