N O R D P A R K
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Klaus und Doris Jann
nachts, wenn die Gestapo schellte ...
Dokumentation einer Artikelserie über den
Wuppertaler Widerstand gegen die
Nazidiktatur 1933 bis 1945
Herausgegeben von Sebastian Schröder
und Dirk Krüger
Veröffentlicht vom 13. Januar bis 12. März 1968
in der NRZ – »Neue Rhein Zeitung«
Paperback. 204 S.; 40 Abbildungen (Fotos & Grafiken)
2018; EUR 15,00;
ISBN: 978-3-943940-33-6
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»Warum wir das tun? –
Ich meine, der politische Widerstand in jener Zeit
ist ein Stück Wuppertaler Zeitgeschichte,
das nicht in Vergessenheit geraten sollte.«
In der 1968 noch in Wuppertal beheimateten »Neue Rhein Zeitung« (NRZ) veröffentlichten die Redakteure Klaus und Doris Jann vom 13. Januar bis 12. März 1968 eine Aufsehen erregende umfangreiche und sorgfältig recherchierte Artikelserie zum Widerstand gegen die NS-Diktatur in Wuppertal. Sie war zu der Zeit die umfassendste wissenschaftlich-historische Aufarbeitung zum Widerstand gegen den Faschismus. Die Artikelserie hat angesichts der derzeitigen politischen Entwicklungen nichts von ihrer mahnenden Aktualität verloren.
Eindrucksvoll schildern sie darin die soziale und weltanschauliche Breite des Widerstandes sowie seine vielfältigen Formen. Die Artikelserie wurde von zahlreichen Leserbriefen begleitet und erlangte schnell überregionale Bedeutung für die wissenschaftlichen Forschungen zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Leseprobe
Die Artikelserie
NRZ vom 13. Januar 1968
Werner Lust
In diesen Tagen
Lieber Leser !
Vor etwas mehr als einem Jahr, am 9. Januar 1967, saßen Redakteure und Mitarbeiter der NRZ – Stadtredaktion Wuppertal zusammen, um zu überlegen, welche großen Themen im Laufe des Jahres in der Zeitung behandelt werden sollten.
An diesem Abend wurde die Idee ausgebrütet, eine Serie zu schreiben über den politischen Widerstand in Wuppertal während der Jahre 1933 bis 1945. Angesetzt auf dieses Thema wurde Klaus H. Jann. Nachdem er sich die Sache ein paar Tage überlegt hatte, schlug er angesichts des Wustes von Arbeit, der vor ihm lag, vor, die Serie zusammen mit seiner Frau, Doris Jann, zu schreiben, die NRZ – Redakteurin in Essen ist.
Fortan nutzten beide nahezu jede freie Stunde, das erforderliche Material zu finden, zu sammeln und zu sichten. Und je tiefer sie sich in die Thematik hineinarbeiteten, desto umfangreicher wurde die Liste derjenigen Dinge, die sie noch zu erledigen hatten. Das noch zu erledigende Arbeitspensum wuchs mit dem Umfang der erledigten Arbeit. Und Anfang Oktober, dem Termin, an dem ursprünglich die Serie erscheinen sollte, zeigte sich, dass der Termin um mindestens ein Vierteljahr verschoben werden musste.
Doris und Klaus H. Jann interviewten bis heute mehr als 80 Betroffene aus jener Zeit. Sie unternahmen Reisen in verschiedene Städte Nordrhein-Westfalens. Sie sichteten im Düsseldorfer Staatsarchiv und in privaten Archiven mehr als einhundert Dokumente, darunter Prozessakten und Gestapo-Papiere, alte Gazetten, illegale Zeitungen und Flugblätter. Sie machten Jagd auf ausländische Zeitungen, die in jener Zeit über den Wuppertaler Widerstand berichtet hatten. Sie verfügen über Fotokopien von annähernd 100 Dokumenten teils atemberaubenden Inhaltes. In einer von ihnen mit Akribie geführten Liste von Personen, die in Zusammenhang mit dem damaligen politischen Widerstand standen, stehen bis jetzt fast 200 Namen, und jeden Tag kommen einige hinzu.
Den beiden NRZ-Rechercheuren begegneten bei ihren Interviews mehrfach Menschen, die kaum noch eine Erinnerung jenes Widerstandsgeschehens hatten, und denen die beiden Janns, die jene Zeiten gar nicht bewusst miterlebt hatten, weil sie zu jung sind, aufgrund ihrer bei früheren Interviews gewonnenen Erkenntnisse helfen konnten, sich wieder zu erinnern.
Ihnen begegneten aber auch Menschen, die darum baten, dass wir ihre Namen nicht nennen, teils, weil sie Angst hatten, irgendwann in Zukunft könnte ihnen ähnliches passieren, wie damals, teils, weil sie glaubten, es sei wegen ihrer heutigen beruflichen oder geschäftlichen Position nicht opportun, heute als Widerständler von damals erkannt zu werden.
Heute beginnt die NRZ unter der Überschrift »nachts, wenn die Gestapo schellte…« mit ihrer Serie über den politischen Widerstand 1933 bis 1945 in Wuppertal. Es wird berichtet über den Kampf und die Leiden der verschiedensten Gruppen: Christen beider Konfessionen, Gewerkschaftler, Naturfreunde, Sozialdemokraten, Kommunisten und viele Einzelpersonen. Es wird berichtet über dramatische Ereignisse beim Konsum, bei der Schwebebahn und bei der AOK, über das Kemnalager und über die NS – Justiz, der zahlreiche Wuppertaler Widerstandskämpfer zum Opfer fielen.
Warum wir das tun? – Ich meine, der politische Widerstand in jener Zeit ist ein Stück Wuppertaler Zeitgeschichte, das nicht in Vergessenheit geraten sollte.
NRZ vom 13.1.1968:
1932: Tag und Nacht schützen die Arbeiter ihr Gewerkschaftshaus (1)
Wuppertal – 1932: Im »deutschen Manchester« hungern die Bandwirker und Färber, die Weber und Chemiearbeiter. An den Arbeitsämtern und Stempelstellen stehen sie Schlange, die Erwerbs- aber nicht Arbeitslosen. Denn zu tun gibt es genug in jenen Tagen des Jahres 1932. Während in Berlin die Regierung Brüning mit Notverordnungen regiert, während von Papen Brüning ablöst, während von Papen dann Kurt Schleicher auf dem Reichskanzlerposten Platz machen muss, gärt es im Wupper-Tal.
Die rund 400 000 Einwohner zählende Stadt hat ihre Erwerbslosen, es sind etwa 60 000. In den Hochburgen der Wuppertaler Arbeiterschaft, im Petroleumviertel, auf dem Rott und in Heckinghausen wirken Sozialdemokraten und Kommunisten mehr oder minder radikal gegen das Aufkommen des Nazismus, der sich bereits des Terrors bedient.
Während für viele Arbeiter Pellkartoffeln und Zwiebelsoße die Hauptnahrung sind und die Familien Fleisch nur noch aus den Kochbüchern vergangener Jahre kennen, feiert die SA in ihren Kasernen ein üppiges Leben. Für viele ist es eine Provokation, für manchen aber auch Verführung: Dort wohnt man, dort gibt es gutes Essen, genug zu rauchen und zu trinken.
Wer schwach wird, wer den knurrenden Magen nicht mehr ertragen will, vertauscht das abgetragene Hemd und die zerschlissene Hose gegen die »verbotene« SA – Uniform. Trotz des Uniformverbotes marschiert die NS – Sturmabteilung von der Elbe bis an den Rhein in weißen, gestärkten Hemden, braunen Hosen und Schaftstiefeln durch die Straßen. Auch in Wuppertal. Willi Veller, meist »Emmes« genannt, Leiter des Nazitrupps und später Polizeipräsident, sorgt dafür, dass seine Mannen gut bewaffnet sind, auch wenn Waffenbesitz nicht erlaubt ist.
Aber nicht einmal nach dem Uniformverbot kann die SA in Wuppertal ihre Aufmärsche in Uniform zelebrieren, vom Spaziergang zu zweit ganz zu schweigen. Denn die Bewohner der Stadt im Tal haben seit je her einen ausgeprägt starken Willen gegen Obrigkeiten und Autoritäten.
SA – Uniform ausgezogen
So behalten die fürwitzigen SA- Männer, die sich dennoch einmal in ihrer braunen Kluft und dem Käppi, das an die Fremdenlegion erinnert, ihre Kleider nicht lange auf dem Körper: sie werden ihnen einfach ausgezogen. Später rächen sich die braunen Horden dafür blutig, doch noch ist die Zeit für den vom Staat befohlenen Terror nicht reif.
Illegaler Selbstschutz der Kommunisten
Das deutsche Manchester von 1932 zeigt viele Gesichter: Die Zeitungen spiegeln die politischen Meinungen von links über die Neutralen bis rechts. Das unsteteste Leben unter den meinungsmachenden Zeitungen führt die » Freiheit«, Organ der KPD, die ebensooft verboten ist wie ihre Redakteure inhaftiert werden.
Die evangelische Kirche, später Dreh- und Angelpunkt des kirchlichen Widerstandes, gehört durchweg zu den konservativ-nationalen Kräften. Der CVJM schreibt in seinem monatlichen Blättchen noch begeisterte Worte über den »Führer« Adolf Hitler.
»Eiserne Front« wacht
Das Reichsbanner, die » Eiserne Front« der sozialdemokratischen Partei schützt Tag und Nacht das Gewerkschaftshaus in der heutigen Wittensteinstraße vor den Übergriffen der SA, die im Stabsquartier an der Kniestraße sorgfältig geplant werden. Der Rotfrontkämpferbund, Kampforganisation der Kommunisten, ist seit langem verboten. Dennoch wollen die revolutionären Linken »ihre« Viertel nicht wehrlos lassen: In Heckinghausen beginnen sie mit dem Aufbau eines eigenen, illegalen Selbstschutzes. Erst musste jedoch ein junger Arbeiter (nicht der einzige!) erschossen werden.
Er ist kein Kommunist, wie die »Freiheit« schreibt, nur zweiter Trompeter im Arbeitermusikverein. Fritz Klaus, so heißt er, wird in Vohwinkel nachts von SA- Leuten meuchlings erschossen.
Erst drei Tage zuvor wurden im Landgericht der Wupper-Stadt zwei Mitglieder der NS- Sturmabteilung zu fünf und sieben Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie in Hückeswagen drei Kommunisten auf offener Straße erschossen haben.
In den letzten Junitagen des Jahres 1932 ist in der Stadt im Tal die Hölle los. Eine Demonstration löst die andere ab. Sozialdemokraten, Anarchisten, Christen und Kommunisten gehen auf die Straße. Jeder weiß: »Morgen kann ich dran sein!« Doch die Polizei geht mit Gummiknüppeln und berittenen Mannschaften gegen die Massen vor.
Nennenswerte Aktionen gegen die kasernierte SA, die zudem von der Industrie unterstützt wird, gibt es nicht. Exekutive und Justiz sind auf dem rechten Auge blind, zumindest drücken sie es im Angesicht der angeblichen »roten Gefahr« eifrig zu.
Eine Reaktion gegen die braunen Machthaber, die auch vor offenem politischen Mord nicht zurückschrecken, ist der »Kampfbund gegen den Faschismus«. Mehrere tausend Menschen in Elberfeld und Barmen, in Ronsdorf und Vohwinkel, in Beyenburg und Cronenberg schließen sich im Jahre 1932 zu dieser Aktion zusammen. Sie sind entschlossen, gegen den Nazi-Terror anzugehen.
Ihre ideologischen Unterschiede spielen plötzlich, wo es um die demokratische Existenz geht, keine Rolle mehr. Es finden sich Sozialdemokraten zu Anarcho- Syndikalisten, Kommunisten zu Trotzkisten, die Reichsbanner-Leute zu denen der SAP, einer von »linken« Sozialdemokraten und gemäßigten Kommunisten gegründeten Partei.
Aber ein Jahr vor der Machtübernahme Hitlers sind seine braunen Legionen trotz Waffen noch nicht so stark, dass sie die linke Opposition an die Wand schießen können, wie es das NS- Organ »Angriff« gerne gesehen hätte.
Die Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 bringen der NSDAP 42,6% der Stimmen ein, die Kommunisten bekommen in Wuppertal 22,3, die Sozialdemokraten 15,3 Prozent. Knapp 12Prozent der Stimmen erringen die konfessionellen, republiktreuen Parteien, Zentrum (katholisch) und Christlich-Sozialer Volks-Dienst (evangelisch). Noch kein halbes Jahr weiter muss die NSDAP in Wuppertal gewaltig Federn lassen. Etwa 20 000 Wähler wenden sich von den Nationalsozialisten ab; der NS- Stimmenanteil beträgt nur noch 35,9 Prozent.
Abfuhr für Goebbels
Nichts kennzeichnet die Einstellung der Wuppertaler Bevölkerung zu den Nazis besser als der Empfang, den sie Josef Goebbels zu Beginn des Jahres 1933, noch vor der Machtübernahme, bereitet. Goebbels ist fest entschlossen, vom Barmer Rathaus im Triumphzug zum Stadion am Zoo zu fahren. Die Menschen sollen ihm zujubeln. Doch statt der Begeisterung empfängt den Chefideologen mit dem zu kurzen Bein wilder Hass und laute Empörung. Tausende Wuppertaler säumen seinen Weg. Doch statt des jubelnden »Heil« schreien sie ihm » Nieder mit Hitler« zu.
Nach dem 30. Januar 1933 werden Wuppertals Antifaschisten den Zorn Goebbels über diese Abfuhr noch zu spüren bekommen.
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