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Andreas Steffens
Bildgedacht und Schriftgemalt.

Die Besonderen Hefte
Heftbroschur mit Schutzumschlag
68 Seiten, 2010, handgeheftet, EUR 6.50
ISBN 978-3-935421-52-2

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Was führt den Philosophen, der ein Schriftsteller ist, dazu, zu malen, zu zeichnen?
Was führt ihn von der Schrift der Sprache zur Sprache des Bildes?
Dieser Diskurs versucht eine Annäherung an den Wunsch und die Ausführung,
die eigenen Worte, die eigene Schrift in eigene Bilder zu übertragen.









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Vorrede

Schriftsteller, die auch Maler waren, gab es viele; ein Philosoph, der auch Maler war, ist nicht bekannt. Ulrich Sonnemann, der malte, tat es nur für sich, und trat mit seiner ›violon d’ Ingres‹ nie an die Öffentlichkeit. Manch einer mag es ebenso gehalten haben. Als ein Philosoph, der sich auch als Philosoph in erster Linie als Schriftsteller versteht, stehe ich mit meinen eigenen Bild-Essays in einer reichen Tradition; als Philosoph jedoch ohne jede da.
Das macht den ›Fall‹ erklärungsbedürftig. Nichts entsteht für sich alleine, alles aus Relationen. Nur deshalb kann Geschaffenes schließlich für sich alleine stehen, und muß für sich bestehen.
Was führt den Philosophen, der ein Schriftsteller ist, dazu, zu malen, zu zeichnen? Was führt ihn von der Schrift der Sprache zur Sprache des Bildes? Bedenkt man die reiche Tradition doppelter künstlerischer Metiers in der Moderne, müsste es eher erstaunen, dass der Übergang zwischen Wort- und Bildkünsten nicht häufiger geschieht, als dass es erstaunen sollte, wenn er vorkommt.
Auf den elementarsten Ursprung zurückgeführt, ist es nichts anderes als der Wunsch danach, der ihn hervorbringt. Nicht mehr, nicht weniger. Aus dieser Geringfügigkeit des Wollens geht der Maler hervor.
Das aber ist nicht nichts. Für einen der massgebenden Maler der deutschen Nachkriegszeit, deren Kind ich bin, Fred Thieler, war der Wunsch, Bilder zu malen, schon die Malerei (Thieler, Positionszeichen, unpaginiert: vorletzte Textspalte).
Biografisch waren sie immer schon da, die Bilder, mit Selbstverständlichkeit. Vom ersten Augenblick der eigenen Existenz an gehörten sie zu meinem ›natürlichen‹ Lebensfeld. Der Umgang mit ihnen war für den Sohn eines Malers das Gegebene, und wurde in gemeinsamer Galeriearbeit über ein Jahrzehnt hin zur bestimmenden Aufgabe.
Selbst produktiv zu werden, zog es mich jedoch zunächst ausschließlich ins Medium des Wortes, in die Sprache. Nur natürlich, dass sich daran für den in die Philosophie ganz Eingetauchten und dort die Ästhetik als ein Medium zur Rekonstruktion des Nachdenkens über das Menschsein Betreibenden der persönliche, schliesslich der kritisch begleitende Umgang mit bildenden Künstlern als ein wesentlicher Lebensinhalt anschloss. Max Ernst, Paul Klee, Pierre Bonnard, Wilhelm Leibl – mythische Namen der Kindheit, umgeben von Geheimnis und Verheißung, entrückt und wieder ganz gegenwärtig geworden.
Es war die Erfahrung der Bilder, die eigene und die Beobachtung, wie sie einen anderen Menschen der unmittelbarsten Verbundenheit faszinieren konnte, was mich zum intellektuellen Leben bestimmte: Das schwierige Glück der Malerei, das nur dem ein leichtes ist, der sich von ihr beeindrucken lassen kann, ohne sie gemacht haben zu müssen.
Mir ist dies spät aufgegangen, ganz zu Bewußtsein erst gekommen, als ich daran ging, die eigene Faszination durch Malerei in Begriffe zu fassen, nachdem sie lange gewirkt hatte, ohne selbst zum Gegenstand der eigenen Arbeit an und mit den Begriffen zu werden, die zunächst anderen Erfahrungen gegolten hatte.
Seitdem steht an, im Denken einzuholen, wovon die Bilder künden.
1957 geboren, ergreifen die Bilder aus jener Zeit mich auch heute noch am stärksten, unmittelbar überzeugend, einleuchtend, voller Kraft und freier Vitalität. So kann es nicht erstaunen, dass diese fremden Bilder eigener Sehnsüchte sich in meine eigenen Bildessays immer wieder einschleichen. Inzwischen lasse ich es zu – es ist eben so, in einer Art biografischer Magie, und mit wachsender ästhetischer Überzeugung. Letzteres so sehr, dass eine Apologie eines ›Neuen Informel‹ zu einer meiner vordringlichen kunstphilosophischen Interessen geworden ist.
An der eigenen Arbeit erfahre ich den Sinn einer Notiz, die ich mir beim Besuch einer der großen Informel-Ausstellungen vor zwanzig Jahren in Amsterdam machte: dass das deutsche Informel zu der Zeit, als es entstand und sich entfaltete, bereits eine historische Kunst gewesen sei; dass die Geschichte seither aber sich immer mehr hin auf eine Aktualität der ästhetischen Substanz dieser ›historischen‹ Kunst entwickelt habe. Denn die Haltung des informellen Künstlers ist geprägt von der Erfahrung der Geschichte, deren Unergründetheit mich erst zum Historiker, schliesslich zum Philosophen bestimmte.
Dreissig Jahre des eigenen Engagements für Kunst und Künstler haben in vielfältiger Weise ihre Spuren hinterlassen. In den Bildern, fremden und nun auch eigenen, begebe ich mich auf die Suche nach den Spuren eines möglichen menschlichen Daseins, das die Geschichte mit jedem Tag, der wird, in Frage stellen zu wollen scheint: im Schein des Daseins liegt dagegen verborgen, was zu seiner Wirklichkeit drängt.
In seiner Theorie des ›Experimentierens‹ hat Jean-Francois Lyotard die Kunst der – etwas verfrüht so genannten – Nachmoderne als Suche nach den Prinzipien des Kunstmachens bestimmt. Danach ist Maler, wer malt, um zu verstehen, was Malerei ist. Demzufolge wurde ich ›Maler‹, indem die eigenen Bildessays sich als Versuche zu entwickeln begannen, das lange Nachdenken über die lebensästhetische Praktik des Malens und Bildens mit eigener Hand praktisch werden zu lassen. Es ist keine notwendige Bedingung, ein Bild auch ›machen‹ zu können, um es zu verstehen; aber es hilft. Nicht alle philosophischen Einsichten werden von Philosophen ausgesprochen, nicht einmal die wesentlichen.
Nur im Gleichnis ist das Leben zu erfassen, nur im Gleichnis ist das Gleichnis auszudrücken; endlos ist die Gleichniskette, und gleichnislos ist bloß der Tod (Broch, Vergil, 393). Fast schien es unmöglich, mehr noch, fast schien es unstatthaft, dass unsere letzterreichbare, wirklichste Wirklichkeit sich darauf beschränkte bloßes Erinnerungsbild zu sein! Nichtsdestoweniger, bildgesegnet und bildverflucht ist das menschliche Leben; nur in Bildern vermag es sich selbst zu erfassen, unbannbar sind die Bilder, sie sind in uns seit Herdenbeginn, sie sind früher und mächtiger als unser Denken, sie sind im Zeitlosen, schließen Vergangenheit und Zukunft in sich ein, doppelte Traumerinnerung sind sie, und sie sind mächtiger als wir (Broch, Vergil, 82 f.).
Diese stammt aus einem der durch Ruhm unbekannten Sprachkunstwerke des 20. Jahrhunderts.
Sich als den, der man ist, für den man sich hält, der sein zu sollen man annehmen oder wollen muss, vorzustellen, das ist ein Künstlergedanke. Philosophisch ist die Bildabhängigkeit möglichen menschlichen Selbstverstehens eine späte Entdeckung. In dieser elementarsten aller Fragen einer Neubegründung von Philosophie nach der Kulturimplosion des 20. Jahrhunderts ging die Kunst der Philosophie an philosophischer Tiefeneinsicht voran. Die Idee einer ›Tiefenästhetik‹ harrt unverändert ihrer anthropologischen Einlösung (Hocke, 178 ff.).
Es ist in sprechender Übereinstimmung, dass die Philosophie erst sehr spät und dann so episodenhaft Anthropologie sein wollte, dass sie ebenso spät und ebenso vereinzelt die Metaphorik ernst zu nehmen begann. Sie entdeckt sie mit Nietzsches Beobachtung, dass die Begriffssprache, derer sie sich seit ihren Anfängen bedient, nichts anderes sei als ein ›bewegliches Heer von Metaphern‹.
Bilder folgen uns überall nach. In den verschlissenen Worten der Alltagssprache sind die Zeichen oder Siegel versteckt, welche unsre Weltansicht, nein, unsre Welt selber auf das nachhaltigste, hartnäckigste bestimmen und markieren. Ihre Hartnäckigkeit ist so groß, dass sie der bedeutendsten Veränderungen, ja Umwälzungen spotten, die sich im Leben der Völker zutragen mögen, und vor der andauernden Herrschaft einer unscheinbaren Metapher verschwinden die großen Wendepunkte und verrücken sich die Grenzen, welche die Geschichtsschreiber – im Banne der subjektiven Mächte, welche die Geschichte »machen« oder zu machen scheinen – sorgfältig zwischen Epochen und Stilen aufgerichtet und eingezeichnet haben. So langanhaltend die Wirkung der Bilder im Medium der Sprache ist, deren wir ja täglich bedürfen, wollen wir uns nicht selber aufgeben, so eng ist der Spielraum, dahinein wir durch ihren Gebrauch uns verwiesen oder worin wir uns zurückgehalten und gebunden sehen, sobald wir nur den Blick zähmen, um ihn genau und ohne Scheu auf die Sprache hinzuwenden. Denn die Worte sind es, welche die Gedanken gefangen halten, und kein menschlicher Wille vermag sie zu überspringen oder zu überfliegen. Unablöslich sind in der Sprache und ihren bestimmten Bildern dem Geiste die Male seines geschichtlichen Ursprungs angeheftet, wohin immer er sich begeben mag. Und so zeigen sich auch die universalsten Unternehmen des Geistes, die kühnsten denkerischen Griffe, die gründlichsten Neudeutungen der Welt und des Menschen, die umfassendsten »Weltanschauungen« sterblich – nämlich geschichtlich, sobald nur die bestimmenden Bilder aus ihren Verstecken hervorgeholt und auf ihre Herkunft hin untersucht werden« (Sternberger, Hohe See, 184).
Auch das bleibt, auch nach Blumenbergs und Derridas ›Metaphorologie‹, immer wieder zu vergegenwärtigen.
Um so mehr, als es die Sprache war, die die Philosophie mit dem Fluch der Weltvergessenheit belegte, die sie aus dem Leben des 20. Jahrhunderts verbannte.
Die Worte verstellen die Dinge, die sie zu erschließen gedacht sind; die Schrift, der Dschungel der Worte, die Flechte, die die Wahrnehmung überlagert, macht sie unzugänglich. Schrift bildet Hecken, Gestrüpp von Worten, das sich zwischen Bedeutung und Ding, zwischen Sachverhalt und Sache wuchernd ausbreitet.
Das Bild schaut durch die Löcher und Lücken im Wort-Gestrüpp hindurch und gibt eine anschauliche Ahnung von der schriftverdeckten Welt, indem es durch die Ausschnitte blickt.
Das reine Licht kann nicht gemalt, das Wesen des Wortes, wie man es auch versucht, nicht gesagt werden (Sonnemann, Grenzübertritte, 94). Deshalb wird das Licht beredet, und werden die Worte gemalt.
Die doppelte Unmöglichkeit, das Wesen eines poetischen Metiers mit dessen eigenen Mitteln auszudrücken, verweist sie aneinander in unlösbarer Abhängigkeit gegenseitiger Bestimmung und Rückversicherung.
Aus dieser Spannung entsteht ein Energiefeld, dessen Strahlung den Bezirk einer umfassenden Poiesis stiftet.
Ein Bild ist ein ungeschriebener Text; ein Text ist ein ungemaltes Bild.
Schrift und Bild können füreinander Ursprung sein. Und müssen doch miteinander nichts zu tun haben. Verbunden in jenem unsichtbaren Geflecht der Bedeutungsbezüge, die sich zwischen den Anstrengungen des lebendigen Bewusstseins entspinnen, Erfahrungen durch ihre Gestaltung zu verstehen.
Dieses Verhältnis des offenen sinn-manifestierenden Aufeinanderbezogenseins von Schrift und Bild in wechselseitiger Wirkung der produktiven Energien, die, von der Suche nach dem Ausdruck eines Sinnes, auf dessen Spur sie sich setzten, bewegt, ihre Bewusstseinsimpulse sich schliesslich kreuzen lassen, ist einer der beständigsten Anreger der Einbildungskraft, die uns die Wirklichkeit so ergreifen lässt, dass sie unser Leben aufnehmen kann.




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