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Leseprobe:

Schwedens neue Kultfigur:
Liza Marklunds Romane über Frauen, Macht und Gewalt.
Von Jost Hindersmann.

(Auszug)

An guten schwedischen Krimiautoren besteht derzeit kein Mangel. Um in dieser Menge aufzufallen, muss ein Autor schon über besondere Qualitäten verfügen. Liza Marklund hat es zweifellos geschafft. Sie wurde von den Kritikern als neuer Stern am schwedischen Krimihimmel gefeiert und vom Spiegel gar zur »neuen Kultfigur Schwedens« (Gatterburg) erklärt. Bild, nicht gerade für einen intellektuell anspruchsvollen Literaturteil bekannt, geht denn auch nicht nur auf ihre Romane ein: »Beine, die nicht enden wollen. Das ist das erste, was an Liza Marklund (41) auffällt. Dazu dieses erfrischende Lachen, die blonden Haare und viel gebräunte Haut.« (Stohn) Dieses Zitat verdeutlicht schon, dass Liza Marklunds Erfolg nicht nur auf literarischen Faktoren beruht, sondern wohl auch zu einem gewissen Anteil in ihrer Person begründet liegt. Zudem ist Marklund ein Medienprofi, die sich und ihre Bücher gekonnt in Szene zu setzen weiß.

Biographische Skizze
Eva Elisabeth Marklund, die ihren Namen modisch zu Liza Marklund abkürzt, ist mit dem TV-Produzenten Mikael verheiratet, hat drei Kinder, wohnt in Stockholm, stammt aber nicht von dort.

Wenn Liza Marklund spricht, dann redet sie mit jenem nordschwedischen Singsang, der nicht nur in Stockholm, dem verhassten ›08-Gebiet‹ (08 ist die Vorwahl der Hauptstadt), verhöhnt wird wie etwa Schwäbisch in Hamburg. (Dudde)

Liza Marklund wurde am 9. September 1962 in Piteå geboren und wuchs im nahe gelegenen Dorf Pålmark im nördlichsten Teil Schwedens, knapp unterhalb des Polarkreises auf. Hier liegt die Temperatur fast immer unter dem Gefrierpunkt, und im Winter wird es nur mittags kurz hell. Es ist eine trostlose Gegend, in der es nur Wälder gibt, die aber dafür im Überfluss. Lizas Vater arbeitete als Werkstattmeister für Traktoren, die Mutter als Steuerbeamtin. Da beide Eltern berufstätig waren, war Liza als Kind oft allein und dachte sich schon damals mit Vorliebe Geschichten aus. Liza Marklund behauptet, dass ihre Heldin schon damals immer Annika hieß, genau wie später in ihren Romanen.

Der Lebensweg von Liza Marklund liest sich sehr abenteuerlich und wäre vermutlich selbst Stoff für einen Roman. Mit 16 Jahren schmiss sie die Schule hin, zog nach Piteå und schlug sich mit verschiedenen Jobs durch: Sie arbeitete unter anderem im Lager einer Autowerkstatt, als Kassiererin, Tellerwäscherin, Putzfrau und Croupier. In ihrer Freizeit war sie als Rockerbraut auf dem Rücksitz eines Chevy unterwegs. Dann verließ sie Nordschweden und zog nach Stockholm, wo sie einige Zeit in einer Nervenheilanstalt arbeitete. Schließlich ging sie nach Israel, wo sie sich in der Nähe von Tel Aviv als Olivenpflückerin verdingte. Hier lernte sie einen Amerikaner kennen, mit dem sie dann quer durch die Welt reiste. Sie wurde in Athen als Landstreicherin verhaftet, kellnerte in London, verkaufte Vitamine in Los Angeles, arbeitete als Statistin in billigen Produktionen in Hollywood und überführte gestohlene Autos nach Südamerika. In dieser Zeit bekam sie auch ihr erstes Kind, eine Tochter. 1984 zog sie mit Freund und Tochter nach Schweden zurück, doch ihr Freund verließ sie nach acht Monaten. Später war sie für einige Zeit mit einem Russen verheiratet, rein formal, wie sie betont, denn der Russe benötigte eine Aufenthaltserlaubnis. Insgesamt hat Liza Marklund dreimal geheiratet.

In der schwedischen Kleinstadt Kalix absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin. Aus den vielen Bewerbern wurde sie von der Journalistenschule deswegen ausgewählt, weil sie ihre Bewerbung in Hollywood abgestempelt hatte. Liza Marklund war bei verschiedenen Zeitungen und TV-Stationen tätig; insgesamt hatte sie in 15 Jahren neun verschiedene Anstellungen. Von der nordschwedischen Provinzpresse arbeitete sie sich langsam zu den großen Tageszeitungen empor. Zu ihren journalistischen Stationen gehören u.a. Norrbottens-Kuriren, Norrländska Socialdemokraten, Aftonbladet und Expressen, wo sie fünf Jahre als Redakteurin arbeitete. Liza Marklund kennt nicht nur den Print-, sondern auch den TV-Journalismus aus eigener Erfahrung. Beim schwedischen Privatsender TV4 in Luleå arbeitete sie als Redakteurin und Moderatorin.

Als Reporterin erlebte sie die Gewalttätigkeit der schwedischen Gesellschaft am eigenen Leib. »Ich hab als Nachtreporterin in Blutpfützen gestanden und gewartet, bis die Polizisten Leichen auf Bahren herausgetragen haben.« (Barnsteiner), erzählt sie. Mehrfach erhielt sie wegen ihrer Artikel Morddrohungen, zeitweise musste sie sogar mit Bodyguards im gepanzerten Auto zur Redaktion gebracht werden.

Genau diese Arbeit lieferte ihr den Stoff für ihre späteren Krimis. Zum einen lernte sie hier den Medienbetrieb von innen kennen, den sie später in ihren Romanen so genüsslich durch den Kakao zieht. Zum anderen fand sie auch ihr Hauptthema: die Gewalt gegen Frauen. Zu ihren Aufgaben als Journalistin gehörte es, die Vorladungen für die Gerichte durchzugehen. Marklund war entsetzt über die hohe Zahl an Frauen, die von ihren Männern oder Ex-Männern bedroht oder gar getötet werden. Jeden zehnten Tag wird in Schweden eine Frau getötet, jede vierte alleinerziehende Frau wird von ihrem Ex-Mann bedroht. Marklunds männliche Journalistenkollegen werteten diese Gewalttaten als Familienstreitigkeiten und maßen ihnen keine große Aufmerksamkeit bei. Marklund jedoch war schockiert.

Die Maria Eriksson-Romane

Liza Marklunds erster Roman Gömda (1995/2000, dt. Mia: Ein Leben im Versteck, 2002) ist ein dokumentarischer Roman über einen wahren Fall: die Geschichte der Maria Eriksson, die mit ihrer Familie aus Furcht vor ihrem gewalttätigen Ex-Freund jahrelang untertauchen musste. Maria Eriksson hatte einen Artikel von Liza Marklund in der Zeitung Expressen gelesen und daraufhin Kontakt mit ihr aufgenommen. Liza Marklund traf sich mit ihr und schrieb ihre Geschichte auf. In dem Buch, das daraus entstand, fungiert Maria Eriksson als Co-Autorin.

Maria Eriksson, genannt Mia, engagiert sich in Schweden als Flüchtlingshelferin und verliebt sich in einen gut aussehenden, charmanten Asylanten aus dem Libanon. Die beiden verloben sich, und Mia bekommt eine Tochter. Nach und nach zeigt ihr Verlobter sein wahres Gesicht und versucht, ihr Selbstbewusstsein zu zerstören, indem er sie und die gemeinsame Tochter Emma demütigt und misshandelt. Mia trennt sich von ihm, doch seine Nachstellungen steigern sich noch, besonders als Mia einen anderen Mann, Anders, kennen lernt und mit ihm einen Sohn bekommt. An der Spitze einer Gruppe von Kriminellen bedroht der Libanese Mias Leben und das ihres Vaters. Die Polizei ist machtlos. Eine Psychologin arrangiert schließlich, dass Mia mit ihrer Familie untertauchen kann. Nach einem traumatisierenden, isolierten Leben im Versteck verlässt die Familie Schweden für immer. Im Nachwort des Buches gibt Maria Eriksson allen Frauen, die Opfer männlicher Gewalt geworden sind, einige Ratschläge.

Mit diesem Dokumentarroman, der den ersten Schritt zu Liza Marklunds Karriere als Schriftstellerin darstellte, hatte sie ihr späteres Zentralthema gefunden. Für Marklund enthüllt Maria Erikssons Fall »die völlige Unfähigkeit unserer Gesellschaft, mit Problemen wie Verfolgung von und Gewalt gegen Frauen umzugehen.« (Marklund, Mia, 5)

Der Roman erschien erstmals 1995 im renommierten Bonnier Förlag, eine überarbeitete Neuauflage erschien 2000 in Liza Marklunds eigenem Piratförlaget. Im Jahr 2004 veröffentlichte sie die Fortsetzung, Asyl. In diesem Roman, der Mitte 2006 noch nicht auf deutsch erschienen war, beschreibt sie Mias weiteres Schicksal. Mia gerät in die Fänge einer betrügerischen Organisation, die vorgibt, misshandelten Frauen eine neue Identität zu verschaffen, in Wahrheit aber lediglich Geld von den Behörden ohne entsprechende Gegenleistung kassiert. Zusammen mit Mia lässt Liza Marklund diese betrügerische Organisation auffliegen. In ihrem Roman Paradies hat Marklund diesen Fall noch einmal fiktional verarbeitet. Mia flieht zuerst nach Südamerika und dann weiter in die USA, wo sie als erste Frau Asyl wegen häuslicher Gewalt erhält.

Die Annika Bengtzon-Romane

Ihren internationalen Durchbruch verdankt Liza Marklund ihren Romanen mit der Journalistin Annika Bengtzon in der Hauptrolle. Marklund hat bislang fünf Annika Bengtzon-Romane auf deutsch vorgelegt, die allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge erschienen sind. Schuld daran ist – anders als bei Henning Mankell – nicht der deutsche Verlag, sondern die Autorin selbst, die die Romane nicht in der chronologischen Reihenfolge veröffentlichte – ein Umstand, der, wie sie süffisant vermerkt, scheinbar vor allem die deutschen Leser verwirrt.

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